Die Vorläufer des Römertopfes - Dunst- oder Dampfgaren
- Geschrieben von Portal Editor
Unser Freund Silverio hatte uns über das Wochenende zum Essen eingeladen, da er uns seine Stadt und besonders auch seine Kochkünste vorführen wollte.
Seit Jahren beschäftigt er sich mit einheimischen Kochgebräuchen, die teilweise in ihren Rezepturen auf die alten Römer zurückzuführen sind, ja, deren Rezepte und Essgewohnheiten teilweise wiedergeben.
Das Wochenende versprach interessant zu werden, denn Traditionen aus der Kochkunst lassen viele Rückschlüsse auf das damalige Leben zu. Gern fügen wir an dieser Stelle auch den Querverweis auf Dr. Robert Krickl aus Brunn am Gebirge / Wien ein, der während seines wohl einmaligen Römerfestes die Verbindung zwischen alter römischer Kochkunst und den modernen Gerichten an praktischen Beispielen im Rahmen von Kochklassen umgesetzt hat.
Natürlich waren wir gespannt, was uns unser Meisterkoch am Abend servieren würde. Etwas überrascht waren wir aufgrund einer frisch ausgehobenen Grube von ca. 0,70 x 0,70 Meter, die wir im Garten vorfanden, direkt daneben ein Haufen trockenen Brennholzes. Erste Vorahnungen kamen auf als unser Gastgeber erklärte, das es ein geschmortes Huhn geben würde. Fertig vorbereitet, sprich ausgenommen und mit diversen Kräuter und Gemüse gefüllt, fanden wir den noch rohen "Braten" in der Küche vor, der Küchentisch war mit Plastikfolie abgedeckt, der Fußboden großflächig mit alten Zeitungen ausgelegt. Was folgt nun? Die Antwort kam spontan und absolut überraschend: Jetzt bauen wir den Kochtopf für den Schmorbraten!
Was wir zunächst für einen Spaß gehalten hatten, sollte jedoch prompt in die Praxis umgesetzt werden, denn ein großer Behälter mit tonartiger Erde wurde auf den Beitisch gestellt. Silverio griff auch umgehend mit beiden Händen in die glitschige Masse, entnahm einen ersten Klumpen, der flächig geformt auf den gut geölten Braten aufgelegt wurde.
Wir folgten seinen Anweisungen, formten weitere Tonfladen und ummantelten damit den "Braten" komplett. Zunächst, aufgrund des Öls, etwas schwierig, gelang es doch schon nach kurzer Zeit den gesamten Braten mit der lehmig tonigen Masse einzupacken und die Fugen zu schließen. Worauf wir mehrfach hingewiesen wurden. War das der Vorläufer des Römertopfes?
Jetzt ging es hinaus in den Garten zur schon angesprochenen Grube, in die eine Lage Lehmziegel gelegt worden war. Auf die Ziegel wurde unser in Ton eingepackter Schmorbraten aufgelegt, mit Lehmziegeln eingefasst, überdeckt und die Restgrube mit Kies und Sand bedeckt. Jetzt schichtete man das Brennholz auf die nun wieder geschlossene Grube auf und entzündete es.
Schnell war ein kräftiges Lagerfeuer entfacht, einige Getränke wurden gereicht, denn nun hieß es abwarten. Wichtig nur, das Feuer darf nicht ausgehen. Langsam wurde uns das Prinzip klar, denn wir hatten schon von so genannten Erdöfen anderer Kulturkreise gehört. Wir waren gespannt auf das Ergebnis dieser Art der Kochkunst.
Wohl jedem modernen Menschen sind die so genannten Römertöpfe aus Ton bekannt, die einer Mode gleich, hin und wieder verstärkt in den heutigen Küchen zur Speisenzubereitung im Backofen auftauchen. Aus uralten Kulturen sind bereits Jäger bekannt, die ihre Beute in einen Tonmantel hüllten, um sie dann über offenem Feuer oder in der Asche zu garen. Die gesunde Erfindung "Dunstgaren" in seiner Rohfassung. Aus der römischen Kochkultur weiß man, dass die Römer das Kochen in Tontöpfen immer dem Kochen in Eisentöpfen den Vorzug gaben, schlechthin gelten sie die Perfektionisten des Dunstgaren, was grundsätzlich nicht mehr bedeutet als das Garen im eigenen Saft. In vielen Kulturen hat sich diese Art des Kochens weiterentwickelt:
- auf dem Balkan das Duveč-Gericht im gleichnamigen Topf
- in der Türkei das Lammgericht Kuzu Güveç
- in Italien die offene Variante pirofila di terracotta
In Kappadokien, um genau zu sein in der Ortschaft Ürgüp, waren wir während des Besuchs eines Wochenmarktes auf Gemüseeintöpfe gestoßen, die in zwar kleinerer Form, so aber doch das Dunstgaren im eigenen Saft in fast vollendeter Art und Weise zeigten. In kleinen Tontopfen wurden die Gemüse-Fleischmischung nach eigener Wahl eingebracht und mit einem Deckel verschlossen. Damit während des Garungsprozesses keine Flüssigkeit entweicht, hatte man den Deckel mit Brotteig "abgedichtet". Während des Garungsvorgangs wurde so zugleich ein kreisrundes Brot mit gebacken. Siehe Bildergallerie. Ein wenig Beobachtung zeigt manchmal erstaunliche Varianten eigentlich bekannter Vorgehensweisen. Gleiches gilt für fast alle Verfahren des Kochens im eigenen Saft, insbesondere bei der Verwendung von Tontöpfen:
- Das Garen geschieht mit minimaler bzw. ohne Zugabe von Flüssigkeit. Somit bleiben der
- Geschmack, der Saft, das Aroma und die Nährstoffe nahezu vollständig erhalten.
- Das Garen kann bei fast allen Gerichten ohne Zugabe von Fett geschehen.
- Der Deckel schützt den Ofen vor Verschmutzung durch Spritzer, ebenso kann nichts
- anbrennen oder überkochen.
- Bleibt die Nahrung zu lange im Ofen, hat dies so gut wie keine negativen Auswirkungen, da
- der Topf die Austrocknung durch seinen Feuchtigkeitshaushalt verhindert.
- Fleisch wird zarter als bei anderen Zubereitungsarten.
Bleibt nur noch nachzutragen, das unser dampfgegarter Braten am Abend vorzüglich geschmeckt hat. Sehr kunstvoll wurde die fast gebrannte Tonschale einseitig geöffnet, so das man an das Fleisch und das Gemüse in einer feinen Brühe wie in einer Schale gut heran kommen konnte. Ach ja, es wurde frisch gebackenes Brot dazu gereicht, das im Steinofen des Nachbarn gebacken worden war. Nach den doch etwa 7 Stunden Garzeit war das Fleisch wirklich zart, hatte das Gemüse einen Teil seines Geschmacks an das Fleisch und die Brühe abgegeben. Lecker, was soll man mehr sagen. Kultur bedeutet Vielfalt.
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