Königliche Kunst & Freimaurer – Begegnung in Wien
- Geschrieben von Portal Editor
Der zwar nasskalte aber äußerst interessante Besuch des Zentralfriedhofs von Wien hatte uns nicht nur zur Grab- und Gedenkstätte des Künstlers Falco geführt, die sich über die Jahre als ein wahrer Besuchermagnet etabliert hatte,
nein, der Besuch zeigte einmal mehr den anders gearteten Umgang mit dem Tod hier in Wien oder zumindest hier auf dem Zentralfriedhof. So ist allein der Verkauf von schwarzen T-Shirts mit lockeren Sprüchen wie „Hier liegen Sie richtig“ am Eingangsportal schon auffällig, vielleicht makaber, aber es sollte weitere Auffälligkeiten geben.
Besonders im so genannten Musikerviertel waren uns die Grabsteine zunächst augenfällig geworden, die neben den verschiedenen religiösen Zeichen und Symbolen auch den Zirkel als Symbol aufwiesen. Häufig war uns dieses Symbol in der Begegnung mit dem Freimaurertum bereits begegnet, auch im Zunftwesen sind diese Symbole weit verbreitet. Was also ist die Verbindung zu den Toten im Musikerquartier auf dem Zentralfriedhof?
Zwei der weltweit bekanntesten freimaurerischen Symbole sind Winkel und Zirkel, in Amerika mit dem zentralen Buchstaben „G“, welcher oft für die allgegenwärtige Geometrie steht.
Der Begriff Königliche Kunst steht oft für die Freimaurerei
Platon hatte mit dem Begriff Königliche Kunst einst die Philosophie, die Liebe zur Weisheit bezeichnet. In Anlehnung an das Verb „können“ bedeutete der Begriff „Kunst“ zunächst „Wissen, Weisheit, Kenntnis“, aber auch „Wissenschaft“. Dann wurde der Begriff ebenso im Sinne von „durch Übung erworbenes Können, Geschicklichkeit“ und „Fertigkeit“ verwendet.
James Anderson bezeichnete mit dem Begriff Royal Art in seinem Konstitutionsbuch von 1723 an „vielen Stellen die Bauwissenschaft, als die edelste und vornehmste aller Künste.“ Die Bauwissenschaft wird in der Freimaurerei als Kunst am Bau des Tempels der Humanität symbolisch auf den Menschen übertragen, der im Sinne des kategorischen Imperativs über Selbsterkenntnis (Erkenne dich selbst) und Selbsterziehung zur Nächsten- und Feindesliebe findet. Symbolisches Vorbild ist hierbei der Tempel Salomons, der sich in der Sage in einem Traum ein hörendes Herz wünschte, um auf das Recht zu hören.
Die Philosophie, die Religion sowie die (Königliche) Kunst haben die grundsätzliche gemeinsame Aufgabe der Weltorientierung, Existenzerhellung und Metaphysik. Während die Philosophie vom Sinnlichen ausgeht und diese wissenschaftlich über die Vernunft zu erfassen sucht, erfüllt die Kunst diese Aufgabe über das Sinnliche. Die Wahrheit der Philosophie liegt in der Schlüssigkeit vernünftiger Argumente, das Wahre der Kunst hingegen in der Vollkommenheit ihrer Darstellung. Der Kunst geht es um die Schönheit des Werkes, während das Ziel der Philosophie in der Allgemeingültigkeit der Theorie liegt und nicht daran interessiert ist, schön zu sein.
Die Freimaurerei, auch Königliche Kunst genannt, versteht sich entsprechend als ein ethischer Bund freier Menschen mit der Überzeugung, dass die ständige Arbeit an sich selbst zu einem menschlicheren Verhalten führt. Die fünf Grundideale der Freimaurerei sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Sie sollen durch die praktische Einübung im Alltag gelebt werden.
Die Freimaurer organisieren sich in sogenannten Logen.
Nach ihrem Selbstverständnis vereint die Freimaurerei Menschen aller sozialen Schichten, Bildungsgrade und Glaubensvorstellungen. Freimaurer haben sich der Verschwiegenheit und insbesondere dem Grundsatz verpflichtet, freimaurerische Bräuche und Logenangelegenheiten nicht nach außen zu tragen. Dies soll intern den freien Ideen- und Meinungsaustausch ermöglichen. Grundsätzlich sind die meisten Rituale durch einschlägige Literatur zugänglich. Die Zeremonien und die Alten Pflichten der spekulativen Freimaurerei werden auf Gebräuche und Unterlagen historischer Steinmetzbruderschaften zurückgeführt, so auf das Regius-Manuskript aus dem Jahr 1390 und das Cooke-Manuskript aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Freimaurer treffen sich zu ritueller „Tempelarbeit“. Zum Ritual kann ein Vortrag mit freimaurerischen Bezügen gehören. Während der Tempelarbeit besteht eine meditative Atmosphäre. Eine Diskussion des Vortrages findet im Tempel nicht statt. Das Thema kann aber bei einer anschließenden „Tafelloge“ ungezwungen weiterbesprochen werden. Nach außen wirken Freimaurer auch durch karitative Arbeit und Förderung von Bildung und freiheitlicher Aufklärung.
Das Verhältnis zwischen Freimaurerei und Religion ist häufig sehr angespannt, aber auch durchaus differenziert: In der französischen, laizistisch geprägten Tradition wurzelnde Logen vermeiden religiöse Festlegungen und verstehen sich als rein weltlicher, ethischer Bund. Gruppierungen, die ihre Weltanschauung von der englischen Freimaurerei herleiten, setzen grundsätzlich eine göttliche Ordnung voraus, fordern aber in ihren „Alten Pflichten“, das Thema Religion nicht zum Gegenstand von Streitgesprächen in der Loge zu machen. Ein explizites religiöses Bekenntnis des einzelnen Mitglieds ist ebenfalls nicht gefordert. Die römisch-katholische Kirche sieht die Zugehörigkeit zur Freimaurerei als unvereinbar mit ihren Grundsätzen an. Die Islamische Weltliga erklärte 1974 in Mekka die „Freimaurerei als unvereinbar mit dem Islam“. Sie fordert alle Muslime, die einer Loge angehören, zum Austritt auf.
Auch im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs haben wir wiederholt die Freimaurersymbole an den Grabsteinen feststellen können. Die tatsächliche Bedeutung für die Toten in den einzelnen Grabstätten sollten uns verborgen bleiben, Verbindungen waren während des Besuchs nicht zu erkennen.
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