Einst Römische Siedlung Vitudurum – heute Winterthur

Einst Römische Siedlung Vitudurum – heute Winterthur

Vitudurum lag zu seiner Gründungszeit in der Provinz Gallia Belgica und während der römischen Kaiserzeit in deren Nachfolgeprovinz Germania superior, die vom Jahr 90 bis zum Ende des 3. Jahrhunderts existierte.

In der Spätantike lag der Vicus Vitudurum in durch die Verwaltungsreform des römischen Kaisers Diokletian (284–305) um 297 n. Chr. erstellten Provinz Maxima Sequanorum.

Der Vicus Vitodurum selbst wurde am Südostfuss des Lindbergs erbaut. Ausgrabungen belegen, dass durch die teilweise durchnässte Hangterrasse auch organisches Material des Vicus gut erhalten wurde. Das Zentrum des Vicus lag auf dem sogenannten Kirchhügel, einem Geländesporn, der durch die Eulach und den Riedbach gebildet wurde.

Vicus Vitodurum – eine typische Siedlung römischer Zeit

Ein vicus (Plural: vici) war eine Siedlung mit kleinstädtischem Charakter in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs. Der wirtschaftliche Schwerpunkt solcher Siedlungen lag in gewerblicher Produktion, Handwerk, Handel und Dienstleistungen. Die Bezeichnung war unabhängig von der Siedlungsgröße; je nach Funktion reichte ihre Größe von einer kleinen Straßensiedlung bis zur Ausdehnung zeitgenössischer Städte.

Sprachlich lässt sich der Begriff vicus auf den indogermanischen Ausdruck weik zurückführen, der in seiner Grundbedeutung wohl für Haus steht. Schlägt man vicus im Wörterbuch nach, werden häufig die Ãœbersetzungen Hof, (Land-)Flecken, Stadtteil oder Gasse angegeben. So muss das Wort eine Bezeichnung für Stadtteile Roms gewesen sein und mit der Ausdehnung des römischen Territoriums wurde es zur Bezeichnung eines außerhalb der Stadt liegenden Stadtteils, also einer kleinen Satellitenstadt. So wird häufig als vicus bezeichnet, was weder eindeutig municipium oder Colonia noch villa rustica ist. Diese sehr offene Definition wird ergänzt durch die Zuordnung nach bestimmten Charakteristika wie etwa bauplanerische Struktur, öffentliche Gebäude oder Funktion. 

Römische vici besaßen keine eigene Verwaltung, keinen Rechtsstatus und waren der Gebietskörperschaft einer civitas zugeordnet. Manche vici erreichten aber selbst den Status eines civitas-Hauptortes (z. B. Nida-Heddernheim oder Pforzheim). Nicht alle verfügten über öffentliche Bauwerke, wie Thermen oder Tempel. Einige Standorte der vici konnten anhand der tabula peutingeriana und des itinerarium antonini geortet werden.

Isidor von Sevilla bezeichnete vici als Ansiedlungen, „die nicht durch den Rang einer Stadtgemeinde ausgezeichnet sind, sondern von einem gewöhnlichen Zusammenschluss von Menschen bewohnt werden und wegen ihrer Winzigkeit größeren Gemeinwesen zugeordnet sind.“

Zur Befestigung erfolgt der Bau eines Römischen Kastells

winterthur vitudurum 1Verkehrstechnisch lag der Vicus Vitudurum an der Römerstrasse kommend von Vindonissa (heute Windisch) und Aquae Helveticae (heute Baden) nach Ad Fines (heute Pfyn), Arbor Felix (heute Arbon), Ad Rhenum (warsch. St. Margrethen) und Brigantium (heute Bregenz). Weitere Verbindungen führen von Vitudurum Richtung Süden über das Kastell Irgenhausen nach Kempraten sowie nach Norden Richtung Tasgetium (Eschenz).

In römischer Zeit bestand im heutigen Oberwinterthur wahrscheinlich zuerst eine mit Vicus bezeichnete Siedlung, die laut einer Inschriftentafel 294 n. Chr. wegen andauernder Überfälle der Alemannen auf die Siedlung mit einem Kastell befestigt wurde. Vitudurum befand sich an einer wichtigen Römerstrasse, die von Vindonissa zum Bodensee führte. Die römische Siedlung hat reiche archäologische Aufschlüsse und zahlreiche Funde geliefert und ist heute ein Schwerpunkt der archäologischen Forschung im Kanton Zürich, es werden auch immer wieder neue Fundstellen aufgedeckt. Man nimmt an, dass in Vitudurum verschiedene Werkstätten wie Schmieden, Töpfereien, Gerbereien existiert haben. In der Siedlung gab es auch einen Tempel, eine Therme und ein Wasserleitungssystem. Die archäologischen Funde lassen sich bis um 400 n. Chr. nachweisen, jüngere Fundstücke gibt es nicht mehr. In dieser Zeit zogen die Römer von der Rheingrenze ab und verliessen auch Vitudurum.

Das Römerkastell Vitudurum hatte eine Inschriftentafel, die vielleicht das Tor des um 294 n. Chr. errichteten römischen Kastells schmückte (Foto aus dem Rathaus am Textbeginn). Diese Tafel wurde später nach Konstanz gebracht, wo sie beim einfachen Volk wie ein Heiligtum verehrt wurde, da die Einwohner der Stadt im Mittelalter die Inschriftentafel als Nachweis für die Gründung von Konstanz durch Kaiser Constantius I. hielten. Anfang September 1967 wurde das Stück von Konstanz als Zeichen nachbarlicher Freundschaft Winterthur übergeben und wird seitdem in dessen Rathaus ausgestellt. Auf dieser Inschriftentafel ist das Jahr 294 n. Chr. als Grundsteinlegung für Vitudurum angegeben. Jedoch ist das die Grundsteinlegung des Kastells Vitudurum, denn eine römische Siedlung hat hier wohl bereits 1 n. Chr. existiert.

Auf dem Gebiet der heutigen Altstadt muss zumindest ein römisches Landhaus gestanden haben, so fand man 1923 eine römische Heizanlage. Des Weiteren fand man weitere Streufunde an verschiedenen Stellen auf dem heutigen Stadtgebiet. Weiter wurde auf Gebiet der Altstadt auch ein Spitzgraben gefunden, der möglicherweise von einem römischen Wehranlage stammt.

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