Backsteingotik und Klosterformat in Wismar
- Geschrieben von Portal Editor
Wieder einmal im Norden Deutschlands unterwegs, waren wir auch in Rostock und Wismar auf die Hinterlassenschaften der einst so mächtigen Vereinigung überwiegend deutscher Kaufleute gestoßen, die von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in das 17. Jahrhundert das Geschehen in vielen Städten prägte, so auch im Bereich Bauen, gleichgültig ob für Profanbauten oder privates Wohnen.
Ganz allgemein gesprochen, die Zeit der Backsteingotik mit ihren protzigen Giebeln und den ebenso mächtigen Gotteshäusern. Dabei galt als wichtigstes Ziel der Hanse zunächst die Sicherheit der Überfahrt beim Warentransport und die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen besonders im Ausland. Die Hanse wurde nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf politischem und kulturellem Gebiet ein wichtiger Faktor zahlreicher, überwiegend norddeutscher Städte was sich besonders in den prachtvollen Giebeln zahlreicher Hansestädte wieder spiegelt.
Der Bund „van der düdeschen hanse“ – eine historische Entwicklung
Zwischen etwa 1350 und 1400 stand die Hanse als nordeuropäische Großmacht da, was u. a. mit der erfolgreichen Durchsetzung hansischer Interessen bei wirtschaftlichen Auseinandersetzungen in Flandern zusammenhing.
Zu diesem Zweck trat 1356 der erste Hanse Tag zusammen (also die erste so genannte Tagfahrt, an der nahezu alle Hansestädte teilnahmen). Dies war keine offizielle Gründung der Hanse, aber das erste Mal, dass sich nahezu alle Städte im Interesse ihrer Vorteile und Handelsprivilegien zu einem gemeinsamen Vorgehen koordinierten und als Bund „van der düdeschen hanse“ auftraten.
Die deutsche Hanse war vor und auch nach diesem „Zusammenrücken“ eher frei organisiert, hatte keine Verfassung und keine Mitgliederlisten, keine dauerhafte eigenständige Finanzgebarung oder Beamte.
Eine Entwicklung von der „Kaufmannshanse“ zu einer „Städtehanse“ lässt sich spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts mit erstmaligen nahezu gesamthansischen Tagfahrten (Hansetagen) festmachen, in denen sich die Hansestädte zusammenschlossen und die Interessen der norddeutschen Kaufleute vertraten. Die genaue Abgrenzung zwischen „Kaufmannshanse“ und „Städtehanse“ ist jedoch umstritten.
Die Farben der Hanse (weiß und rot) finden sich noch heute in den Stadtwappen vieler Hansestädte. In den Zeiten ihrer größten Ausdehnung waren beinahe 300 See- und Binnenstädte des nördlichen Europas in der Städtehanse zusammengeschlossen. Eine wichtige Grundlage dieser Verbindungen war die Entwicklung des Transportwesens, insbesondere zur See, weshalb die Kogge zum Symbol für die Hanse wurde. Durch Freihandel gelangten viele Hansestädte zu großem Reichtum, was sich an zahlreichen bedeutenden Bauwerken ablesen lässt.
Reichtum der Hansestädte spiegelt sich im Bauen
Die so genannte Backsteingotik der Hansestädte umfasst gotische Bauwerke, die aus oder mit sichtbarem Backstein (nicht verputzte Gebäude) errichtet wurden. Sie ist vor allem in Norddeutschland, dem Ostseeraum und den Niederlanden verbreitet. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich im Westen bis an die Straße von Dover und im Südosten bis nach Galizien. Der auch oft verwendete Begriff Norddeutsche Backsteingotik erfasst daher nur einen Teil der gesamten Backsteingotik.
Die mittelalterliche Verwendung von Backstein als Baustoff setzte nördlich der Alpen bereits im 12. Jahrhundert ein. Die ältesten Bauten gehören deshalb noch der so genannten Backsteinromanik an. Im 16. Jahrhundert ging die Backsteingotik in die Backsteinrenaissance über.
Die geografische Verbreitung des Bauens aus Backstein und mit sichtbarem Backstein unterlag vom Beginn des Hochmittelalters bis in die frühe Neuzeit aber durchaus Veränderungen. So gab es in Teilen des Münsterlandes zwischen Pionierbauten der Romanik und dem starken Backsteineinsatz in Renaissance und Barock eine zeitliche Lücke.
Viele von der Backsteingotik geprägte Altstädte und Einzelbauten wurden in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen, so geschehen auch in Wismar. Die so genannte „Alte Schule“ war ein Gebäude in der Altstadt, das zum „gotischen Viertel“ gehörte, das sich bis zu seiner fast vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg um die Marienkirche konzentrierte.
Die architektonische Handschrift der Hansezeit war hier ausgeprägt wie in kaum einer anderen norddeutschen Stadt. Die zierlich gestalteten Fassaden waren ein wichtiges Beispiel für gotische Backsteinkunst im frühen 14. Jahrhundert.
Die alte Schule mit einem zweigeschossigen Aufriss stand westlich der Kirche St. Marien, deren Turm heute noch steht. Hier findet der interessierte Besucher zahlreiche Relikte der Backsteingotik, seien es freigelegte Mauerreste, Beispiele der Backsteinbaukunst, Werkzeuge und Verfahrenstechniken, die erste Schritte zur modernen DIN-Ordnung im Bauen bedeuten.
Bereits 1351 wird die Alte Schule im Stadtbuch der Hansestadt Wismar erwähnt. Es handelt sich um ein langgestrecktes Gebäude, das in der Mitte durch eine Brandmauer geteilt war. Jede der beiden Hälften wurde durch Fachwerkwände in drei gleich große Klassenräume gegliedert. Diese Raumeinheiten erstreckten sich vom Keller bis zum Dachboden.
Die Alte Schule war ein herausragendes Beispiel der Backsteinbautechnik im hochgotischen Stil das im Ostseeraum zu den Spitzenleistungen des Profanbaus gehörte. Das Gebäude war mit Blenden, Friesen und Zinnen reich gegliedert, rote und grüne Glasuren schmückten die Steine der Wandflächen und die Formsteine der vielfältigen Zierglieder.
1945 im April wurde die „Alte Schule“ bei einem Luftangriff so schwer getroffen, dass die Reste des alten Gebäudes zwischen 1946 und 1948 abgebrochen werden mussten. Der noch ganz erhebliche Bestand des Kellers wurde mit Schutt befüllt und dann überpflastert.
Klosterformat – Beginn der baulichen Maßordnung
Das vermutlich im 12. Jahrhundert von Mönchen entwickelte Klosterformat war das bevorzugte Ziegelformat des Mittelalters.
Es stellte noch kein einheitliches System dar, vielmehr unterschieden sich die Maße der handgefertigten Steine innerhalb der einzelnen Klosterbauschulen zum Teil recht erheblich. Die Durchschnittsmaße variierten von 28 cm × 15 cm × 9 cm bis hin zu 30 cm × 14 cm × 10 cm. Die Höhe konnte in Einzelfällen sogar bis zu 12,5 cm betragen.
Das Klosterformat fand in der Backsteinarchitektur noch bis ins 20. Jahrhundert hinein Verwendung. Heute werden zur Restaurierung wieder Klosterformat Mauersteine angeboten, bzw. speziell für die jeweilige Baumaßnahme produziert.
Steinformat und Maßordnung – wichtige Funktion im Bauen
Zur mauerwerksgerechten Ausführung, also rationell und ohne größeren Verschnitt, sollte jedem Bauwerk das oktametrische Maßsystem der Mauersteine zugrunde gelegt werden. Die Maßordnung bestimmt wesentlich das Erscheinungsbild von (Sicht-)Mauerwerksbauten.
Die heutige DIN 4172 Maßordnung im Hochbau basiert auf einem Modul von 12,5 cm. Dieses dient zur Bestimmung der Baurichtmaße, der geradzahligen Vielfachen des Moduls. Die Baurichtmaße sind Koordinationsmaße für Planung und Ausführung.
Aus den Richtmaßen ergeben sich durch Abzug des Fugenmaßes die Bauteil-Nennmaße. Daraus folgen für die Vermaßung von Mauerwerksbauten bei einer Stoßfugendicke von 1 cm folgende Rohbaumaße:
x steht für die Anzahl der Steinköpfe
Die Vorzugsgrößen von Öffnungen (Türen und Fenster) sind auf die Maßordnung abgestimmt. Das Modul umfasst Stein + Mörtelfuge, ausgehend von 1 cm Fuge. Die Fugen sind heute wesentlich schmaler, die Steine werden dementsprechend größer gefertigt (geschliffen), sodass die Maßordnung beibehalten wird. Bei Systemen ganz ohne Fugen sind die Nennmaße gleich der Baurichtmaße.
Die Steinformate beruhen auf folgendem System:
- Dünnformat (DF): 240 mm x 115 mm x 52 mm
- Normalformat (NF): 240 mm x 115 mm x 71 mm
- 1,5 NF = 2 DF: 240 mm x 115 mm x 113 mm
DF ist die Größenbezeichnung für alle Steine, die Skala reicht von 2 DF bis 25 DF (Länge x Breite x Höhe = 61,5 cm x 30 cm x 24 cm); Planelemente reichen in ihren Größen bis zu 100 cm x 62,5 cm x 36,5 cm. Ihre Maße orientieren sich allerdings am jeweiligen System nicht an der DIN 4172.
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