Landgüter (Villa rusticae) - Versorgung der Römer
- Geschrieben von Portal Editor
Der beeindruckende Besuch im Museum Römervilla in Bad Neuenahr / Ahrweiler hatte letztendlich zur weiteren Recherche hinsichtlich der Fragestellung zur Versorgung der Römerlager entlang der Grenzen des Imperiums geführt, die allein durch Handel nicht zu bewerkstelligen waren.
Die vorhandenen bäuerlichen Ansiedlungen innerhalb der dann als besetzt geltenden Gebiete waren ebenfalls allein nicht in der Lage, Legionen von Soldaten und deren Gefolgschaft mit Lebensmitteln zu versorgen. Wie also erfolgte die Versorgung der Legionen?
Am Beispiel der Villa rusticae "Römervilla" in Bad Neuenahr lässt sich das römische Versorgungsmodell recht deutlich erkennen, obwohl der Begriff Römervilla einwenig in die Irre führt. Auch wenn es sich um ein wirklich prachtvolles Gebäude gehandelt haben muss, eine Villa im modernen Sinn war es keinesfalls. Der Begriff "villa rusticae" ist noch dazu eine moderne Wortschöpfung. Das Landhaus war Mittelpunkt eines landwirtschaftlichen Betriebs und bestand meist aus einem Hauptgebäude und mehreren, innerhalb eines ummauerten und somit geschützten Hofs gelegenen, Wirtschafts- und Nebengebäuden.
Aufbau und Einrichtung der Villa rusticae
In Italien umfasste das Hauptgebäude einer villa rusticae meistens einen geräumigen Innenhof in einer Art von Atrium, um den sich die Wirtschaftsräume gruppierten. Der oft zweistöckige Wohntrakt befand sich in der Regel an der nördlichen Hofseite. In den gallischen und germanischen Provinzen, wie auch in Bad Neuenahr, wo sich die Mehrzahl der heute bekannten villae rusticae befand, war der Bautyp ein völlig anderer. Das Haupthaus war bei größeren Anlagen oft als Porticusvilla ausgeführt: Die Front gliederte sich in die Eckrisaliten und die dazwischen liegende Porticus, die nach vorne offene Säulenhalle. Die Wohn- und Arbeitsräume des Hausherrn und seiner Familie grenzten direkt an die Porticus. Oft ist auch ein zentraler größerer Raum zu beobachten, entlang dem mehrere Raumfluchten angeordnet waren. Die Frage, ob es sich dabei um eine überdachte Halle oder einen unüberdachten Innenhof handelt, ist unter den Gelehrten weitgehend ungeklärt und möglicherweise nicht allgemeingültig zu beantworten. Anlagen vom Portikus- oder Risalittyp sind ein dominanter Bautyp, der sich bei mittelgroßen Anlagen bis zu den großen palastartigen Hauptgebäuden wie der Villa Otrang bei Fließem sehr häufig findet.
Größere Villen verfügten in der Regel über beheizbare Baderäume oder Badehäuser, oft waren auch ein Teil der Räume, wie auch in Bad Neuenahr, mittels Fußboden- und Wandheizung (Hypokausten) zu beheizen. Sie wiesen in der Regel einen Keller auf, der entweder als Vorratskeller oder als Hausheiligtum für die Laren und andere Schutzgötter diente. Auch gab es oftmals falls mittig im Gebäude einen fast unzugänglichen, geheimen Schutzraum, der versteckte Zugänge hatte. Mitunter fand sich auf dem Gelände auch ein kleiner Tempel.
Die luxuriösen Wohnverhältnisse in Form eines eher villenartigen Gebäudekomplexes waren aber nur einer geringen Oberschicht zugänglich. Bei den villae rusticae gibt es besonders im rechtsrheinischen Gebiet eine Gruppe von kleineren Höfen, die solche Ausstattung nicht besaßen. Hauptgebäude war in dem Fall oft ein einfaches steinernes Gebäude. In vielen Regionen bilden solche Gehöfte sogar die Mehrzahl der ländlichen Siedlungen. Als Hintergrund wird schon seit längerer Zeit das so genannte Patronatssystem vermutet, das in ländlichen Regionen sehr verbreitet war und bis zur Spätantike stark zunimmt. Dafür würde das relative Fehlen von Hinweisen auf Sklaven in römischen Villen der Nordwestprovinzen und eher häufige Indizien für Kolonen im Fundmaterial sprechen.
Das Gelände einer Villa rustica konnte mit Hecken, Mauern und Gräben umfriedet sein. Dies gilt vor allem für Wehrgehöfte in den Randgebieten des Reiches. In vielen Fällen lässt sich jedoch keine Hofumwehrung ausmachen. Eine Umfriedung schloss das Wohngebäude nebst Wirtschaftsgebäude ein. Innerhalb eines solchen Areals finden sich im archäologischen Befund neben Wohnhäusern und Stallungen weiterhin Brunnen, Dreschplätze, Garten- und Teichanlagen. Bestattungsplätze lagen üblicherweise außerhalb, meist an einer Zufahrtsstraße. Die fruchtbaren Lößebenen des Rheinlandes und der Wetterau wurden mit einem wabenartigen System aus Villae rusticae überspannt, wobei der Abstand der Hofanlagen etwa zwei bis drei Kilometer beträgt. Vereinzelt wurde daraus geschlossen, dass eine Landvermessung (centuriation) vorgenommen wurde. Eindeutige Belege dafür fehlen aber bislang.
Bewirtschaftung der Villae rusticae
Der Hausherr (dominus) der villa rustica war oft ein aus dem Militärdienst ausgeschiedener Veteran, der innerhalb der provinzialen Infrastruktur Versorgungsaufgaben für die nahe gelegenen Städte und Garnisonen übernahm. Wegen der hohen Transportkosten befanden sich die meisten Villen in der Nähe der Verbraucher, was die große Zahl von villae rusticae in jenen Grenzprovinzen, in denen die römischen Garnissionen hauptsächlich stationiert waren, erklärt. Wenn eine Villa im Durchschnitt 50 Personen (Hofherren und alle Helfer) umfasste, konnte diese bestenfalls für 20 weitere Städter oder Soldaten Nahrung produzieren; denn sonderlich effizient waren diese Betriebe, gemessen an den heutigen landwirtschaftlichen Betrieben, in der Regel nicht; der erzielte Überschuss war meist gering.
Folgt man dieser Berechnung (was nicht alle Forscher tun), so lässt sich ableiten, dass rund um eine Stadt wie Carnuntum mit 40.000 Bewohnern etwa 2.000 Villen für deren Versorgung existiert haben müssen, selbst wenn hier durch zusätzliche Nahrungsbeschaffung aus Handel und Fischerei eine gewisse Entlastung für die Bauern bestand. Der Raum, den diese 100.000 Bauern benötigten, war jedenfalls enorm. Die logistischen Hürden für Transport und Lagerung ebenfalls. Bis zu 50 km weit lieferten die Villen ihre Waren in die Städte und das vorzugsweise am günstigen Wasserweg über die Flüsse.
Die Bewirtschaftung der Güter erfolgte direkt über den Hausherrn oder mit Hilfe eines Verwalters. Dieser entschied je nach Jahreszeit und anfallender Tätigkeit, was die Landarbeiter, das heißt zumeist Sklaven (servi), aber auch Freigelassene (liberti) oder Freie, zu verrichten hatten.
Schon damals mussten die Erzeugnisse den Markterfordernissen angepasst werden. So standen die Agrarproduzenten des antiken Apennin im Wettbewerb mit den römischen Provinzen. Tarraconensis (Spanien) und Gallia (Gallien) waren bekannt für den Export von Weinen und Ölen; zudem war in Gallien die Schafhaltung weit verbreitet und die damit verbundenen Produkte wie Textilien, Käse und Pökelfleisch; Aegyptus (Ägypten) und andere afrikanische Provinzen für Getreide.
Sonderform Villa urbana
Daneben besaßen Senatoren und andere hohe politische Amtsträger riesige Landgüter mit entsprechend großen Landhäusern, die oft luxuriös ausgestattet waren und dem Sommeraufenthalt dienten.
Eine Villa dieser Art wird, in Abgrenzung zur rein wirtschaftlichen Villa rustica, als Villa urbana bezeichnet, das heißt als ein mit städtischem Komfort ausgestattetes Landhaus. Im rechtsrheinischen Gebiet ist bislang nur eine einzige solche Villa gefunden worden, und zwar im baden-württembergischen Heitersheim.
Weiternutzung der Villa rusticae durch Germane
Ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts kam es zu einem stetigen Bevölkerungsrückgang in den germanischen Provinzen (Germania inferior und Germania superior), mit ausgelöst durch die zunehmenden Überfälle rechtsrheinischer germanischer Stämme (vor allem Alamannen und Franken) auf das römische Territorium. Viele Villen wurden in dieser Zeit verlassen.
Eine Weiternutzung durch sich neu ansiedelnde Germanen ist archäologisch nur schwer nachzuweisen, da Funde aus dieser Zeit sich in den meisten Fällen nicht sicher ethnisch zuweisen lassen. Außerdem übernahmen die in Grenznähe siedelnden Germanen oft die römische Lebensweise, so dass es hier kaum Anhaltspunkte für eine Zuordnung gibt.
In Südwestdeutschland gelang es nur in einem Fall (Villa rustica von Wurmlingen), die sekundäre Verwendung römischer Bausubstanz durch die Germanen sicher archäologisch nachzuweisen. Auch im 4. und 5. Jahrhundert gab es weiterhin noch Villae rusticae, aber in deutlich geringerer Zahl als früher. In der Antike war vermutlich die Bezeichnung fundus oder praedium üblich. Die Römer unterschieden zwischen städtischen Gebäuden (aedes) und ländlichen (villa). Auf ähnliche Weise wurde auch zwischen unbebautem Land in der Stadt (area) und auf dem Land (ager) unterschieden. Große Landgüter wurden auch als latifundium (von latus = weit) bezeichnet.
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