Töpfereiarbeiten Menemen - vom Krug bis zur Kunst

Töpfereiarbeiten aus Menemen

Nach einer geruhsamen Nacht mit einigen Traumepisoden, die sich in unserer Erinnerung alle um das Themenfeld Töpfern drehten, waren wir am Morgen zum Frühstücken in der herrlichen Mandarinenplantage von Sabahattin Vardarlı, unserem Gastgeber und seiner Familie, eingeladen.

Auch unser Tourführer durch die Werkstätten Menemens, Herr Ertan Saruhan, war pünktlich zum Frühstücken erschienen, sollte sich doch heute unser Tagesprogramm fortsetzen. Zunächst galt unsere Aufmerksamkeit allerdings verstärkt unserem Gastgeber Sabahattin, dessen Töpferarbeiten sich stark von den bisher kennen gelernten Gebrauchsgegenständen unterschieden.

menemen izmir 21Deutlich stand bei einigen ausgestellten Arbeiten von Sabahattin Vardarlı der künstlerische Aspekt im Vordergrund, was, wie wir wenig später erfahren sollten, früher noch deutlicher gewesen sei.

Als einer von bisher zwei Töpfereimeister in der Türkei war die Kunst von Sabahattin Vardarlı von der UNESCO als besonders erhaltenswert erachtet worden, so das er hinsichtlich seiner Arbeiten unter dem Schutz der UNESCO steht. Bereits im Laufe des Frühstücks sollten wir weitere Details aus seinem Leben erfahren, das auch als ein Auf und Ab hinsichtlich seiner "Karriere" zu umschreiben ist.

Nach zunächst sehr erfolgreicher, künstlerisch aktiver Zeit in Istanbul verschlug es Sabahattin auf diese Landstelle zwischen Menemen und Foca, wo er zunächst seine künstlerischen Arbeiten fortsetzte. Während man allerdings in Istanbul sehr wohl seine Kunst zu schätzen und damit auch zu entlohnen bereit war, gab es unter den Menschen in der Region Menemen zunächst wenig Verständnis für das Töpfereikunsthandwerk.

menemen izmir 22Als eines Tages eine Besucherin nach dem Preis einer außergewöhnlich kunstvollen Arbeit von Sabahattin nachfragte, dieser von der Unverkäuflichkeit als Repräsentationsstück eine Erklärung versuchte, kam es fast zum Streit.

Die Dame bestand auf der Nennung eines Preises, der dann nach Diskussion auch genannt wurde. Dieser war der Dame eindeutig zu hoch, was Sabahattin zu der Gegenfrage veranlasste, wofür sie denn dieses Werk unbedingt haben wolle.

Die Antwort der Dame war so verletzend wie auch typisch für bestimmte Personenkreise: "Da gibt es die Hochzeit meiner Bekannten. Ich würde gern diesen Gegenstand dort im Sinne des Polterabends auf die Terrasse werfen."

menemen izmir 23Noch heute kann man Sabahattin sehr gut anmerken, wie sehr ihn diese Worte verletzt hatten, die letztendlich zu erheblichem Motivationsverlust führten, was sich teilweise in den ausgestellten Arbeiten auch wieder spiegelt.

Die einst künstlerisch, ideenreiche Verarbeitung des Naturprodukts Ton veränderte sich in seinen Tätigkeiten mehr und mehr auch hin zu den üblichen Gebrauchsgegenständen. Immer deutlicher wurde uns klar, das hier wirklich Motivationsarbeit für eine ganze Region nötig war, durch neue Ideen und Gedanken eine ganze Zunft wieder aufzubauen.

Nicht ohne Hintergrund hatte uns Ertan Saruhan von dem Verlust großer Aufträge aus Deutschland und den Nachbarstaaten erzählt, als chinesische Produkte aufgrund des Preises die Menemen Waren immer mehr verdrängten. Längst war uns klar, warum man uns so motiviert herum führte und all die kleinen Werkstätten und den darin tätigen Meistern zeigte.

menemen izmir 24Wenig später waren wir bereits in Richtung Menemen unterwegs, wo uns Ertan Saruhan einen weiteren Meister vorstellte. Neben den obligatorischen Werkstücken war auch bei ihm die eher künstlerische Note in seiner Ausstellung zu erkennen. Gleichwohl lag ein Auftrag an, langhalsige Flaschen zu formen, was wohl in den letzten Tagen auch geschehen war. Nach den Tagen der ersten Trocknung und Aushärtung setzte dieser Meister die Flaschen nochmals auf die Drehscheibe um Feinkorrekturen vorzunehmen.

Deutlich trat dabei auch der Glanz des Tonmaterials zum Vorschein. In seinem Beisein wurde erstmals auch von einem Töpfereifestival Menemen gesprochen, das sowohl der Region als auch dem Image des Kunsthandwerks gut zu Gesicht stehen würde. Längst spielten auch wir schon mit Ideen und Überlegungen ähnlicher Art. Als ein kleines Gastgeschenk erhielten wir eine Sparbüchse in bauchiger Flaschenform, die wir während zukünftiger Veranstaltungen den Besuchern wohl als Spenden- oder Tippbox präsentieren werden.

Eine Karawanserei als kulturelles Zentrum von Menemen

menemen izmir 26Unsere Gespräche in Richtung Planung eines Töpfereifestivals Menemen wurden auch während der Fahrt in die Stadt fortgesetzt. Erstmals konnten wir einen Eindruck von Menemen gewinnen, einer Stadt von rund 125.000 Einwohnern, die noch vor hundert Jahren zwar wesentlich kleiner aber zu fast 50% aus Griechen bestanden hatte. Aber dazu später mehr.

Ertan Saruhan führte uns direkt in das Stadtzentrum, wo er uns mit dem Besuch eines fertig gestellten, restaurierten Gebäude überraschte: eine ehemalige Karawanserei, die jetzt zu Präsentationszwecken des Kunsthandwerks sowie für einige gastronomische Betriebe genutzt wird. Auch die hiesige Töpfereivereinigung mit Ertan Saruhan an ihrer Spitze verfügte hier über Büro- und Ausstellungsräume. Man merkte auch seine Begeisterung für das historische Gebäude durchaus an als er uns diverse Räumlichkeiten zeigte, uns mit dort anwesenden Personen bekannt machte und auch schon von unseren gerade erst erstellten Konzeptideen berichtete. Eine tolle "location", wie man Neudeutsch sagen würde. Zentral gelegen, akzeptiert von der lokalen Bevölkerung und leicht auffindbar für Gäste, kurz: sehr gut geeignet für ein erstes Töpfereifestival in Menemen.

menemen izmir 28Wenig später betraten wir auch die Ausstellung eines Muschelsetzers, so zumindest könnte man die Aktivitäten dieses Künstlers bezeichnen, der aus verschiedensten Muscheln Figuren kleiner und großer Art erstellt. Von tanzenden Personen und mehrköpfigen Drachenfiguren bis hin zu Lampen und ganzen Hausduplikaten, Muscheln wohin das Auge blickt. Teilweise leicht kitschig aber auch durchaus künstlerisch interessante Beispiele ließen sich hier finden. Wenige Räume weiter gab es einen Handwerker, der noch Tagesdecken für Betten in traditioneller Art erstellte. Gerafft oder bestickt, ganz wie man es sich wünscht. Dann stießen wir auf eine Künstlerin, die ihre selbst gemalten Bilder ausstellte. Professorin für Kunst und Malerei an einer Universität in Izmir im Hauptberuf, kurz, es gab schon einige interessante Ansätze für ein sich im Entwickeln befindliches Kulturzentrum.

menemen izmir 29Wir fuhren jetzt erneut in die Werkstatt des Bruderpaares vom Vortag, die mit einer Gruppe von interessierten Nachwuchstöpfern aktiv waren. Kinder und überwiegend Väter hatten sich die Schürzen umgebunden und versuchten nun dem Naturmaterial die gewünschte Form zu geben. Zunächst wurden Lehmringe aufeinander geklebt, die dann von innen und außen verschmiert wurden. Andere beschäftigten sich bereits mit der Strukturierung der Oberflächen, wozu spezielle Werkzeuge von den Meistern zur Verfügung gestellt wurden. Überhaupt war bei allen Beteiligten der Spaß an der Sache mehr als deutlich zu erkennen, die auch von den beiden anwesenden Meistern mitgetragen wurde. Väter, die mit ihren Töchtern am Sonntagnachmittag zum Töpfern gehen, sind in der Türkei wirklich noch die große Ausnahme, entsprechend ziehen wir den Hut vor der initiierten Veranstaltung der Töpfereivereinigung.

menemen izmir 27Unser "Repräsentant" Menemens zeigte uns auch noch einen Neubaukomplex mit Hotel-Restaurant und großem Swimmingpool, riesigem Parkplatz und Aussichtsterrasse im Zentrum Menemens, die er ebenfalls für ein Töpfereifestival "organisieren" könnte. Vielleicht für ein erstes Festival doch eine Hausnummer zu groß. Wir nutzten in jedem Fall das Restaurant um uns nach interessantem Tagesverlauf ausgiebig zu stärken. Unser zweiter Tag in Menemen neigte sich langsam dem Ende zu und uns zog es zurück zum Caravan in die Mandarinenplantage, die Ideen an der Mitgestaltung eines kulturellen Töpfereifestival im Kopf.

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