Die Rote Basilika von Pergamon / Bergama
- Geschrieben von Portal Editor
Vor wenigen Tagen hatten wir das Glück zu einem Konzertbesuch in den Runden Turm der Roten Basilika von Pergamon in die Ortschaft Bergama eingeladen zu werden.
Wir wollten die Gelegenheit nutzen, auch die unmittelbare Umgebung der Roten Basilika etwas näher zu erkunden. Aber beginnen wir mit dem Anlass dieses Pergamon Besuchs.
Im Rahmen des alljährlich stattfindenden Izmir Festivals, das in Kooperation vom Goethe Institut mit dem IKSEV Izmir organisiert wird, hatte man das deutsche Streichorchester Minguet Quartett zu einem Konzert im Runden Turm der Roten Basilika in Bergama eingeladen. Ereignisse dieser Art sind immer von besonderer Bedeutung, schließlich gibt es sowohl für die Musiker als auch für die Zuschauer nur selten die Gelegenheit, „moderne“ Musik in antiker Umgebung zu „performen“ und zu erleben, auch wenn in diesem Fall die Musik eher mit Klassisch zu bezeichnen ist. Es zeigte sich dann auch, dass sowohl das Publikum als auch die Musiker das Ambiente mehr als nur zu schätzen wussten. Ein musikalisches Kunstwerk in ebensolcher Umgebung.
Wohl jedem an antiker Kulturhistorie interessierten Menschen ist Pergamon mit seinen weit in die Vergangenheit zurück reichenden Ausgrabungsstätten ein Begriff, nicht zuletzt aufgrund der Ausstellungsstücke aus Pergamonauf der Museumsinsel in Berlin. Aber der Ort Bergama, der auf einem Teilstück der ehemaligen Metropole Pergamon errichtet ist, wird relativ selten von Besuchern aufgesucht. Dabei war Pergamon weit mehr als nur der Stadthügel mit seinen Ausgrabungen. Die unter den Begriffen „Rote Halle“ (türkisch Kızıl Avlu), Rote Basilika, Serapistempel oder Tempel der Ägyptischen Götter bekannte Ruine des 60 x 26 Meter großen Backsteingebäudes aus noch bestehenden 20 Meter hohen Backsteinwänden ist kaum ein Besuchermagnet, obgleich von zwei mächtigen Türmen flankiert. Die Rote Halle liegt am südlichen Fuß des Akropolishügels, eingebettet in das Straßensystem der Unterstadt und etwa 1,5 Kilometer östlich des Asklepieions. Trotz teilweise bestehender Überbauung der Stadt Bergama sind selbst Reste der einstigen Umfassungsmauern noch gut zu erkennen.
Mit dem Vordringen der Römer in Kleinasien war auch Pergamon zur Riesenmetropole angewachsen, die sich längst über den Stadtberg hinaus ausgedehnt hatte. Wahrscheinlich war auch der Wettkampf mit Ephesus hinsichtlich bedeutender Gebäude ein Grund mit, das unterhalb von Pergamon ein Areal von 100 x 265 Meter von den Römern angelegt und mit zusammenhängenden Gebäudekomplexen bebaut wurde, womit das Areal zu den größten römischen Anlagen in Kleinasien zählt. Bis heute ist man sich in der Wissenschaft nicht vollständig darüber einig, unter wessen Herrschaft und zu welchem Zweck die Gebäude errichtet wurden. Sehr wahrscheinlich sind sie unter Kaiser Hadrian als Tempel zur Verherrlichung ägyptischer Götter, vermutlich Isis und Serapis in Verbindung mit der kleinasiatischen Göttermutter Kybele, entstanden. Auch die Vermutung der reinen Kaiserverehrung wird in Betracht gezogen.
Um die geplante Fläche von 100 x 265 Meter überhaupt zu erhalten, waren bereits erhebliche bauliche Maßnahmen notwendig. Vergleichbar zu der Flussüberbauung inNysa, sollte auch hier der Fluss in brückenartiger Konstruktion überbaut werden. Bergama liegt am Fluss Selinus, der schon zu Zeiten der Römer als der Stadtfluss von Pergamon in den Aufzeichnungen genannt wurde. Etwa 200 Meter lang sind die Brückenkonstruktionen, die den Selinus überspannen, womit diese Konstruktion die längste Flussüberbauung in der Antike war. Noch heute kann man sich die Ein- und Ausgänge dieser Brückenkonstruktion ansehen. Archäologen und Forscher haben in den vergangenen zwei Jahrhunderten zahlreiche Räume und Gänge entdeckt, die mit der Brückenkonstruktion in Verbindung stehen. So wurden verschiedene Wasserbecken und Wasserleitungen entdeckt, die neben der örtlichen Versorgung wohl auch für zeremonielle Handlungen bei der Huldigung der Götter eine Rolle gespielt haben müssen. Längst sind noch nicht alle Zusammenhänge geklärt.
Grundriss des Tempels und der Seitenhöfe
Wie bereits erwähnt, hat das Hauptgebäude die Maße von etwa 26 × 60 Meter und ist fast genau ost-westlich ausgerichtet. Die verwendeten rötlichen Ziegelsteine sind wohl auch für einen der Namen des Bauwerks verantwortlich. Bei photogrammetrischen Aufnahmen, die 1974 und 1976 von Manfred Stephani und Armin Grün in Zusammenarbeit mit dem Architekten Klaus Nohlen anfertigt wurden, konnte eine Höhe der noch stehenden Wände von 20 Meter festgestellt werden. Da die Dachform des Gebäudes unbekannt ist, kann über seine ursprüngliche Höhe nur gemutmaßt werden. Den Eingang hinter dem Propylon und sechs marmornen Stufen bildete eine monumentale Tür von mindestens 7 Meter Breite und 14 Meter Höhe, die nach oben von einem Bogen abgeschlossen wurde. Nimmt man die 0,65 Meter tiefen und über 2 Meter breiten Mauervorsprünge an den Seiten der Türöffnung als Maß, so ergibt sich sogar eine Türbreite von mehr als 11 Meter. Wie die Tür geöffnet wurde, bleibt unklar, da keinerlei Reste gefunden wurden, die eine sichere Aussage erlauben würden. Eine Bewegung auf Rollen wie beim Serapistempel in Ephesos kommt wegen der Größe nicht in Frage, möglicherweise blieb sie geschlossen und hatte eine kleinere Öffnung als Eingang. Die beiden mächtigen Türpfeiler waren hohl und konnten vom Souterrain aus bestiegen werden. Die Wände des Innenraums waren, ebenso wie die Außenhaut des Gebäudes, mit verschiedenfarbigem Marmor verkleidet. An der rechten Wand fanden sich Reste der Marmorverkleidung, in einiger Höhe sind Marmorpflöcke erkennbar, die der Aufhängung der Platten gedient haben könnten. Auch der Fußboden weist – im Westteil teilweise gut erhaltene – Reste eines Belags auf. Zu erkennen sind rötlicher Marmor aus Rhodos, grüner aus Indien und dunkler Stein, wahrscheinlich Granit, aus Ägypten.
Ostseite der Halle mit byzantinischer Apsis
Das Aussehen der Ostwand lässt sich nicht rekonstruieren, da dort im Zuge des byzantinischen Umbaus zur Kirche eine Apsis eingebaut wurde. Da aber im hinteren Teil keinerlei Lichtöffnungen vorhanden waren, ist anzunehmen, dass die Rückwand Fenster enthielt. Aber auch eine Beleuchtung über Deckenfenster ist denkbar. Im Zuge der neueren Grabungen seit 2002, wobei auch Sondagen bis auf Fundamenttiefe von über sieben Meter unter dem Bodenniveau der Halle vorgenommen wurden, stellte Ulrich Mania fest, dass eine nach außen offene und überkuppelte Nische den östlichen Abschluss des Gebäudes bildete, die aber keinerlei Spuren einer Ausgestaltung zeigte. Er schließt daraus, dass die östliche Front der Roten Halle nie fertiggestellt wurde. Vom Dach des Gebäudes sind keine eindeutig zuzuordnenden Bauteile vorhanden, sodass sich über dessen Form nur Vermutungen anstellen lassen. Das Gewicht von mehreren Kreuzgewölben können die Säulen der inneren Portiken beziehungsweise die Arkaden, die beim Umbau zur Kirche an deren Stelle traten, nicht getragen haben.
Basilika
Beim Umbau zur christlichen Kirche wurde das Fußbodenniveau des Gebäudes um mindestens 2,47 Meter angehoben, erkennbar an zwei noch gut sichtbaren Fundamentstreifen. Die durch die Ausgrabung heute zu Tage liegenden Mauerzüge waren dadurch alle, bis auf den Altar, unter dem Boden verborgen. Auf diesen Fundamenten, etwa an der Stelle der Tragsäulen der antiken Portiken, wurden Arkadenreihen eingebaut, die die Cella in drei Schiffe teilten. Die Breite der Seitenschiffe beträgt dabei nur etwa ein Drittel des Mittelschiffs. A. Baratta beschrieb 1840 zwei Ordnungen von Granitsäulen, deren Schäfte Emporen stützten. Andreas David Mordtmann berichtete von seiner Reise nach Pergamon in den Jahren 1850 und 1854, dass er Mühe hatte, in das Innere der Kirche zu gelangen, da sie mit türkischen Wohnhäusern zugebaut war, und dass die Säulen nach Konstantinopel zur Verwendung in die Sultan-Ahmed-Moschee verbracht worden seien, was allerdings nicht belegbar ist. Die Ostwand wurde durch eine Apsis ersetzt, von der, im Gegensatz zu den Arkaden, heute noch Reste zu sehen sind. Im Bereich der Apsis sind Reste von Wandinkrustation zu erkennen. Von dort verlief auf den inneren Wänden des Mittelschiffs ein Rankenfries, das aus römischen Spolien bestand. Weitere Spuren der Innenausstattung sind Reste eines bemalten Verputzes, der Alabaster imitierte. In die Außenwände wurden im Osten, am Ende der Seitenschiffe, Türen gebrochen. Sie führten in den Raum zwischen Tempel und Rundbauten, der an dieser Stelle mit einem Kreuzgratgewölbe überkuppelt war und wohl als Pastophorium (Arbeitsraum der Priester) diente. Von diesen Gewölben zeugen Reste von Wandvorlagen und Abdrücke der Gewölbebögen. Ob sie zur Zeit des Umbaus schon bestanden oder erst errichtet wurden, ist nicht zu klären.
Rundbauten und Seitenhöfe
Rechts und links des Tempelgebäudes befinden sich zwei monumentale Rundbauten, deren Funktion nicht geklärt ist, die jedoch vermutlich kultischen Zwecken gedient haben. Sockel für die vermutete Aufstellung von Götterbildern wurden nicht gefunden. Die Türme liegen auf der Höhe der Treppenhäuser und haben einen inneren Durchmesser von 12 Metern. Der Haupteingang befand sich auf der Westseite vom jeweils zugehörigen Säulenhof her. Er war 11,5 Meter hoch und schloss oben, ähnlich der Tempeltür, mit einem Bogen ab. Weitere Eingänge befanden sich auf der dem Tempel zugewandten Seite sowie gegenüber davon. In einer Höhe von rund 16 Metern setzen die Kuppeln an, die die Bauten überwölbten. Fenster sind in den Wänden nicht vorhanden, sodass anzunehmen ist, dass in der Kuppel eine Lichtöffnung vorhanden war. An der Außenseite sind Marmorreste erhalten sowie, etwas unterhalb des Kuppelansatzes, eine Marmorrippe, was annehmen lässt, dass auch die Türme mit Marmor verkleidet waren. Der Nordturm ist heute als Moschee in Gebrauch, der südliche wurde als Depot für die Ausgrabungen genutzt und in den Jahren 2006–2009 vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) aufwendig restauriert, nachdem zuvor südlich davon ein neues Depot errichtet worden war. Hier fand das eingangs beschriebene Konzert des Streicherquartetts Minguet Quartett statt.
Die Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Instituts seit 2002 im Süd Hof brachten die Gewissheit, dass, wie vermutet, ein zweites weiter südlich gelegenes Becken vorhanden war. In seiner Verfüllung aus spätbyzantinischer bis moderner Zeit kamen zahlreiche weitere Fragmente der Stützfiguren sowie Marmorbauteile zu Tage. Am östlichen Abschluss des Beckens fanden sich Bauteile eines Marmoraufbaus. Sinterspuren lassen auf herabfließendes Wasser und damit auf Wasserspiele schließen, was den dekorativen Charakter der Bassins betont. In der Hof Mitte wurde ein Fundament von 2,5 × 1,8 Meter aus Andesit Blöcken ergraben, das wohl einen Marmorsockel trug. Unweit davon kam der Torso eines Löwen ans Licht. Spuren an seiner Seite legen den Schluss nahe, dass er eine Reiterin im Damensitz getragen hat. Durch den Vergleich mit einer Darstellung am Süd Fries des Pergamonaltars gilt eine Identifizierung der Figur als Kybele als wahrscheinlich.
Bei der Frage, wem die spätere Kirche geweiht war, kann nur auf örtliche Überlieferung zurückgegriffen werden. Diese nennt zum einen Johannes, zum anderen Antipas. Nach einem Bericht von Ernst Curtius aus dem Jahr 1872 war beiden jeweils einer der Rundbauten zugeordnet.
Auch die Frage, ob diese Kirche oder die Basilika auf der unteren Agora die älteste christliche Kirche des Ortes war, lässt sich gegenwärtig nicht klären.
Durch den Vergleich mit dieser Kirche sowie derjenigen beim Gymnasium in Bezug auf Lage, Größe und Ausstattung ist aber zumindest feststellbar, dass die Kirche in der Roten Halle wohl eine Vorrangstellung am Ort hatte.
Baugeschichte und Datierung
Nachdem die Stadt Pergamon 133 v. Chr. mit dem Ende der Attaliden in römische Hand gefallen war, setzte nach einer Zeit der Stagnation im ersten nachchristlichen Jahrhundert eine rege Bautätigkeit ein. In dieser Zeit verlagerte sich, auch aus Platzgründen, der Mittelpunkt des Stadtlebens vom Burg Berg in die Ebene, wo eine groß angelegte Neustadt entstand. Zwar wurden die Monumente der Akropolis weiter in Stand gehalten, aber die Konkurrenzsituation zum aufstrebenden Ephesos verlangte neue repräsentative Bauten. Auch das Vorrücken neuer Kulte, wie der Verehrung ägyptischer Götter in Kleinasien führte wahrscheinlich ebenso zur Errichtung der Roten Halle. Eine Datierung in die Regierungszeit des römischen Kaisers Hadrian (117 – 138) wird heute allgemein als gesichert angenommen. Dass der Bau von Hadrian selbst in Auftrag gegeben wurde, scheint wahrscheinlich.
Die Archäologin Katja Lembke erkennt in ägyptisierenden Stützfiguren Parallelen zu Ausstattungselementen der Villa Adriana in Tivoli und damit zu den persönlichen Ägyptenerfahrungen des Kaisers. Sie sieht im Architekturkonzept Ähnlichkeiten mit weiteren Bauten des Kaisers wie dem Templum Pacis in Rom und der Hadrians Bibliothek in Athen. Auch von der Bautypologie zieht sie Vergleiche zur Hadrians Bibliothek und zur Staatsagora in Side, die aber keine Kultbauten darstellen. Anna-Katharina Rieger, Archäologin mit Schwerpunkt Antike Stadtforschung, stellt ebenfalls aufgrund von Vergleichen mit anderen Bauten fest, dass es sich bei der monolithischen Türschwelle des Haupttempels, bei in der Portikus gefundenen Figuralkapitellen sowie bei den Rundbauten um Gestaltungselemente handelt, die ab dem zweiten Jahrhundert für kaiserliche Bauwerke reserviert waren. Sie zieht dabei Parallelen zum Bauprogramm Hadrians in Athen und Alexandria.
Eine Datierung des Kircheneinbaus in den Tempel ist weit schwieriger, da nur wenige eindeutig dem Kirchenbau zuzuordnenden Architekturteile zu identifizieren sind. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass der Bau vor dem Theodosius-Dekret von 435, das die Zerstörung der heidnischen Tempel forderte, errichtet worden ist. Das Ende der Nutzung markieren Spuren einer Brandkatastrophe, wie Abplatzungen an Wandkonsolen, womöglich im Zusammenhang mit den Einfällen der Araber im 7. Jahrhundert, die letztlich die Aufgabe der Unterstadt und den Rückzug der Bewohner auf den Burgberg zur Folge hatten. Nachdem die Araber Anfang des 8. Jahrhunderts ihren Versuch einer Eroberung Konstantinopels aufgegeben hatten, wurde die Stadt wieder aufgebaut, die Kirchenruine stand noch bis zum endgültigen Einsturz im 13./14. Jahrhundert. Noch im 12. Jahrhundert beschreibt Georgios Kedrenos ihre Schönheit, über eine weitere Nutzung oder einen Wiederaufbau ist nichts bekannt.
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